Das LSG entschied, Erben könnten nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. (entspricht § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI) nur haften, wenn sie zugleich Empfänger bzw. Verfügender gewesen wären. Haftungsgrundlage gegenüber Erben, die die Rentenzahlung weder in Empfang genommen noch über sie verfügt haben, könne ausschließlich § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. sein. (entspricht § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI). Auf diese Rückforderungsansprüche seien die Vertrauensschutzregelungen des SGB X anzuwenden und sie seien mit Verwaltungsakt nach § 50 Abs. 3 SGB X geltend zu machen. Daneben bestehe nicht - wie das Sozialgericht angenommen hat - eine Haftung der Erben gemäß § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. i.V.m. § 1967 BGB. Eine solche sei durch die Spezialregelung des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII ausgeschlossen. Ansonsten bliebe die einen Vertrauensschutz der Erben beabsichtigende Norm des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. bedeutungslos. Ob dem Unfallversicherungsträger materiell-rechtlich ein Rückzahlungsanspruch nach § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. i.V.m. § 50 SGB X zusteht, prüfte das LSG nicht weiter, da der Leistungsträger es unterlassen hatte, den Anspruch in der gebotenen Form, nämlich durch schriftlichen Verwaltungsakt, geltend zu machen.

 

LSG Chemnitz 2. Senat , Urteil vom 18. Oktober 2007 , Az: L 2 U 126/05

Leitsatz

1. Wird ein Anspruch aus § 96 SGB VII in der bis zum 28.06.2002 geltenden Fassung (a.F.) geltend gemacht, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, weil ein Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung aufgrund einer speziell ihn berechtigenden Rechtsvorschrift beteiligt ist.

 

2. Der Anspruch aus § 96 Abs. 4 S. 1 SGB II a.F. setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Erbe zugleich Empfänger bzw. Verfügender i.S.d. § 96 Abs. 4 S. 1 SGB II a.F. war.

 

3. Ein Anspruch gemäß § 96 Abs. 4 S. 3 SGB VII a.F. i.V.m. § 50 SGB X ist gemäß § 50 Abs. 3 SGB X durch schriftlichen Verwaltungsakt geltend zu machen.

 

4. Neben dem Anspruch aus § 96 Abs. 4 S. 1 bzw. 3 SGB VII a.F. besteht keine Haftung der Erben gemäß § 96 Abs. 4 S. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 1967 BGB. Eine solche ist durch die Spezialregelung des § 96 Abs. 4 S. 3 SGB VII ausgeschlossen.

 

Tenor

 

I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25.04.2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

II. Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

 

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte der Klägerin im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung einen Betrag in Höhe von 27.396,10 € zu erstatten hat.

 

Der am ... 1929 geborene A. (Versicherter) erlitt im Jahre 1980 in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beim VEB M. E. einen Arbeitsunfall. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls wurde ihm eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 30 v.H. gewährt. Der Versicherte verstarb am … 05.1985, ohne dass dies der leistungsgewährenden Stelle bekannt wurde. Die Verletztenrente wurde weiter auf das Konto 4... bei der Sparkasse M. geleistet und von R., der Witwe des Versicherten und Mutter des Beklagten, in Empfang genommen. Ab April 1991 übernahm die Klägerin die Zahlung der Rente. Auch anlässlich der Übernahme der Rentenleistung wurde nicht bekannt, dass der Versicherte bereits verstorben war. Die Zahlung der Verletztenrente erfolgte weiter auf das Konto des Versicherten. Inhaberin des Kontos war nach dem Tod des Versicherten dessen Witwe. Sie verstarb am 20.04.2000. Nach ihrem Ableben wurde der Klägerin bekannt, dass der Versicherte bereits im Jahre 1985 verstorben war. Erben der Witwe des Versicherten sind ihre Söhne A., S. und der Beklagte zu je einem Drittel.

 

Die Klägerin wandte sich mit gleichlautenden Schreiben vom 14.11.2000 an die Erben der Witwe des Versicherten und teilte ihnen mit, es sei beabsichtigt, die seit dem 01.04.1991 gezahlte Verletztenrente in Höhe von 53.582,12 DM zurückzufordern.

 

Die Klägerin forderte mit Bescheiden vom 28.12.2000 von den Erben der Witwe des Versicherten je ein Drittel des Betrages von 53.582,12 DM. Die Witwe habe Verletztenrente in dieser Gesamthöhe zu Unrecht von April 1991 bis April 2000 bezogen. Auf den Widerspruch der Erben nahm die Klägerin mit Abhilfebescheiden vom 14.06.2001 die Rückforderungsbescheide vom 28.12.2000 zurück. Weder die Witwe des Versicherten noch deren Erben seien Parteien eines sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses mit der Klägerin. Daher scheide die Geltendmachung der Rückforderung mittels Verwaltungsakt aus. Ansprüche seien im Wege der Leistungsklage geltend zu machen.

 

Am 27.06.2001 hat die Klägerin Klage gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Dresden (SG) und gegen A. und S. vor dem Sozialgericht Chemnitz auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Verletztenrente erhoben. Die vor dem SG erhobene Klage ist auf § 96 Abs. 4 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in der bis zum 28.06.2002 geltenden Fassung (alte Fassung - a.F.) i.V.m. den §§ 1922 Abs. 1, 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützt. Ansprüche gemäß § 96 Abs. 4 SGB VII a.F. seien im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, weil die dort genannten Forderungsgeber regelmäßig nicht Parteien des sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses seien. Es bestehe eine Gesamtschuldnerschaft der drei Erben.

 

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2005 den Beklagten verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 27.396,10 € zu erstatten. Er sei als Gesamtschuldner hierzu verpflichtet. Rechtsgrundlage für den besonderen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F., der im Zeitpunkt der Entstehung und Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Klägerin gegolten habe. Nach dieser Norm seien, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden seien, Personen, die die Geldleistungen in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt hätten, so dass dieser nicht nach § 96 Abs. 3 SGB VII a.F. von dem Geldinstitut zurück überwiesen werden könne, dem Träger der Unfallversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Da diese Vorschrift keine gesetzliche Ermächtigung zum Anlass eines Verwaltungsaktes enthalte, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nur die allgemeine Leistungsklage zulässig. § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. regele somit die Rückforderung von Renten, die die Versicherungsträger – weil die dem Versicherten gewährte Rente mit dem Ablauf des Monats, in dem er verstorben sei, ende, ohne dass es eines Entziehungsbescheides bedürfe – für die Zeit nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht geleistet haben. Vorliegend liege ein solcher Fall einer Überzahlung von Verletztenrente nach dem Tod des Versicherten vor. Über den Tod des Versicherten am ...05.1985 hinaus habe die Mutter des Beklagten die Unfallteilrente des Versicherten neben ihrer Witwenrente zunächst von der Sozialversicherung der DDR und ab 01.04.1991 von der Klägerin zu Unrecht weiter bezogen. Die Witwe des Versicherten wäre deshalb – ohne dass ein Vertrauensschutz bestanden hätte – nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. zur Erstattung des in der Höhe nicht streitigen Betrages an die Klägerin verpflichtet gewesen. Diese Verpflichtung sei nach den §§ 1922 Abs. 1, 1967 BGB auf den Beklagten als einen von drei Erben der Witwe des Versicherten übergegangen. Ein Vertrauensschutz stehe auch den Erben nicht zu. Dabei komme es nicht darauf an, wie lange die zu Unrecht gewährte Geldleistung weiter gezahlt worden sei. Unbeachtlich sei auch, ob die Erben von der Verbindlichkeit des Erblassers gewusst hätten. An der Haftung des Beklagten ändere auch die Regelung des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F., wonach ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unberührt bleibe, nichts. Gemeint seien damit die sich unmittelbar aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Erstattungsansprüche (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.1997 – 8 R KN 2/97). Der Beklagte sei aber nicht in das Sozialversicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Versicherten bzw. dessen Witwe eingetreten; er sei und bleibe außen stehender Dritter. Die strenge Haftung der Empfänger/Verfügenden im Sinne des § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. sei vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt, sie solle die Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen, damit die Gelder möglichst bald dem Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben wieder zur Verfügung stünden (Bayrisches LSG, Urteil vom 23.03.2004 - L 3 U 173/03 -). Für eine anderweitige Auslegung der Vorschrift sei daher kein Raum.

 

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 15.06.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13.07.2005 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. komme als Rechtsgrundlage nur unter Berücksichtigung der §§ 45 bis 50 SGB X in Betracht. Der Versicherte sei bereits im Jahre 1985 verstorben. Zu dieser Zeit seien die Vorschriften der Sozialgesetzbücher in der DDR nicht anwendbar gewesen. Die Rückforderung von Überzahlungen sei in § 79 Rentenversicherungsordnung der DDR vom 23.11.1979 (GBl. I Nr. 43 S. 401) geregelt gewesen. Derartige Ansprüche seien innerhalb von drei Jahren verjährt. Für den Verjährungsbeginn sei allein auf objektive Kriterien (Möglichkeit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs) abgestellt worden. Die Verjährung müsse von Amts wegen beachtet werden. Nach Ablauf dieser Frist sei folglich gewissermaßen ein Vertrauensschutz entstanden. Daher seien die §§ 45 bis 50 SGB X einschlägig. Zudem sei der Nachlass deutlich geringer als die Rückforderungssumme gewesen.

 

Auf Nachfrage der Einzelrichterin des Senats hat die Sparkasse Mittleres Erzgebirge mit Schreiben vom 27.08.2007 ausgeführt, das Konto 4... habe zum Zeitpunkt 20.04.2000 einen Kontostand von 18.812,46 DM und am 31.07.2000 einen solchen von 12.067,94 DM gehabt. Verfügungsberechtigt über dieses Konto seien die Witwe des Versicherten und H. gewesen. Das Konto sei am 21.09.2000 aufgelöst worden.

 

Der Beklagte beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 24.05.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie ist der Auffassung, die Vorschriften über die Rücknahme bzw. Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 45 ff. SGB X) fänden vorliegend keine Anwendung, weil § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. nicht auf sie verweise. Der Anspruch nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. bestehe selbstständig neben dem Anspruch gemäß § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. i.V.m. § 50 SGB X. Die Erstattungsforderung der Klägerin sei auch nicht verjährt. Es werde nur eine Rückforderung für den Zeitraum ab 01.04.1991 geltend gemacht. Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR seien folglich nicht anzuwenden. Zudem beginne gemäß § 50 Abs. 4 SGB X die Verjährung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erstattungsforderung durch Verwaltungsakt festgesetzt worden sei. Bezüglich § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII existiere keine Verjährungsregelung.

 

Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

 

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Daher war der Gerichtsbescheid des SG vom 24.05.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

I.

 

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist vorliegend eröffnet. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung. Maßgebend für die Einordnung einer Streitigkeit als öffentlich-rechtlich und die Zuweisung zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitgegenstand, und zwar die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt darstellt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichte des Bundes, Beschluss vom 10.07.1989, GmS-OGB 1/1986, SozR 1500 § 51 Nr. 53; Ulmer, in: Hennig, SGG, Stand: 8/2005, Rn. 4 zu § 51).

 

Die zur Klärung des eröffneten Rechtswegs geschaffene Sonderrechtstheorie definiert ein Rechtsverhältnis als öffentlich-rechtlich, wenn ein Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung aufgrund speziell ihn berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften beteiligt ist (BSG, Urteil vom 12.02.1980 – 7 R AR 26/79 -, BSGE 49, 291, 293), wenn er also bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisses besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätzen des öffentlichen Rechts und nicht den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Normen unterworfen ist (BSG, Urteil vom 30.03.1993 – 3 RK 1/93 -, BSGE 72, 148, 151; Ulmer, in: Hennig, a.a.O., Rn. 13 zu § 51).

 

Anspruchsgrundlage für den klägerischen Anspruch ist § 96 SGB VII a.F. als lex specialis zu den §§ 812 ff. BGB. Bei dieser Norm handelt es sich um eine speziell den Unfallversicherungsträger im Verhältnis zu den Empfängern von oder Verfügenden über Geldleistungen, die nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, und deren Erben betreffende Vorschrift, die dem öffentlichen Recht – speziell dem Unfallversicherungsrecht – zugeordnet ist.

 

Mit der Schaffung dieser Norm – und des gleichlautenden § 118 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – hat der Gesetzgeber einen lang andauernden Meinungsstreit zur Rechtsnatur dieses Anspruchs beendet (BSG, Urteil vom 29.07.1998 – B 9 V 5/98 R -, zitiert nach Juris, Rn. 15 ff.; BSG, Urteil vom 20.12.2001 – B 4 RA 53/01 -, zitiert nach Juris, Rn. 9; Beschluss des Senats vom 19.09.2005 – L 2 U 178/05 U -; Graeff, in: Hauck/Nofts, SGB VII, Stand: 7/2007, Rn. 12 zu § 96; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 5/2006, Rn. 12 zu § 96; Kater, in: Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, Rn. 13 zu § 96; Polster, in: Kassler Kommentar, Stand: 6/2007, Rn. 18 zu § 118 SGB VI; vgl. auch Terdenge, in: Hauck/Nofts, SGB VI, Stand: 8/2007, Rn. 14a zu § 118).

 

II.

 

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der überzahlten Rentenleistung gegenüber dem Beklagten zu.

 

1. Ein solcher resultiert nicht aus § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. Danach sind, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, die Personen, die die Geldleistungen in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, so dass diese nicht nach § 96 Abs. 3 SGB VII a.F. von dem Geldinstitut zurücküberwiesen werden können, dem Träger der Unfallversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Nach § 96 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB VII a.F. gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode der Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Unfallversicherungsträger zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern.

 

Es kann vorliegend dahinstehen, ob ein Anspruch gem. § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Unfallversicherungsträger zu einem Zeitpunkt vom Tode des Berechtigten Kenntnis erlangt hat (hier: 12.07.2000), zu dem ein nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. vorrangig geltend zu machender Anspruch gegen das kontoführende Geldinstitut nach § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB VII a.F. (noch) bestand und vom Versicherungsträger geltend gemacht werden konnte (im Folgenden unter a), oder ein Ausschluss lediglich dann anzunehmen ist, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung der Leistungsklage (hier: 27.06.2001) ein Anspruch gegen das kontoführende Geldinstitut nach § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB VII a.F. bestand (im Folgenden unter b).

 

a) aa) Ist auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Tode des Berechtigten und der infolge dessen eröffneten Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs aus § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB VII a.F. abzustellen, ist der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten gem. § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. bereits deshalb im Umfang von 12.067,94 DM ausgeschlossen, weil der Klägerin in diesem Umfang ein - den Anspruch nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. ausschließender - Erstattungsanspruch gegenüber der Sparkasse Mittleres Erzgebirge gem. § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB VII a.F. zustand. Ausweislich der Stellungnahme der Sparkasse vom 27.08.2007 befanden sich Ende Juli 2000 – nachdem die Klägerin ausweislich eines Telefonvermerkes vom 12.07.2000 vom Tod des Versicherten und dem Tod seiner Witwe Kenntnis erlangt und die Einstellung der Weiterzahlung der Verletztenrente verfügt hat – auf dem Konto 4... (ursprüngliches Konto), das infolge der technischen Fusion der Kreissparkasse M. und der Kreissparkasse Z. als Konto 4... fortbestand, 12.067,94 DM.

 

bb) Bezüglich der über den unter aa) genannten Betrag hinausgehenden Forderung i.H.v. 15.328,16 € (27.396,10 € abzüglich 12.067,94 €) steht der Klägerin ein Anspruch aus § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. gegen den Beklagten ebenfalls nicht zu.

 

Zwar ist die Verletztenrente über den Todesmonat Mai 1985 des Versicherten hinaus gemäß § 73 Abs. 4 SGB VII zu Unrecht erbracht worden. Der ursprüngliche Leistungsbescheid gegenüber dem Versicherten hat mit seinem Tod durch Erledigung auf andere Weise gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (Dörr, Kompass 1996, S. 460, 461) seinen formellen Rechtsgrund verloren. Auch konnte die Geldleistung im verbleibenden Umfang nicht nach § 96 Abs. 3 SGB VII vom Geldinstitut zurücküberwiesen werden.

 

Der Beklagte war jedoch ausweislich der Stellungnahme der Sparkasse Mittleres Erzgebirge vom 27.08.2007 weder Empfänger noch Verfügender i.S.d. § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. Vielmehr waren zunächst lediglich die Witwe des Versicherten und H. verfügungsberechtigt über das Konto. Auch nach dem Tode der Witwe des Versicherten bestand keine Verfügungsberechtigung des Beklagten. Verfügungsberechtigt war hiernach allein H. .

 

Nur wenn der Beklagte als Erbe zugleich Empfänger bzw. Verfügender im Sinne des § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII gewesen wäre, wäre der Unfallversicherungsträger berechtigt gewesen, einen Anspruch gemäß § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII gegen den Beklagten als Erben im Wege der Leistungsklage geltend zu machen (BSG, Urteil vom 29.07.1998 – B 9 V 5/98 R – zitiert nach Juris, Rn. 15; Graeff, a.a.O., Rn. 13 zu § 96; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rn. 16 zu § 96). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

 

b) Sofern ein Anspruch aus § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. nur dann ausgeschlossen ist, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung der Leistungsklage ein Anspruch gegen das kontoführende Geldinstitut bestand, steht der Klägerin aus den unter 1. a) bb) genannten Gründen ebenfalls kein Anspruch gegen den Beklagten zu.

 

2. Einen Anspruch gemäß § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. i.V.m. § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann die Klägerin im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht erfolgreich geltend machen. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. stellt klar, dass Rückforderungsansprüche gegen die Erben, die die Rentenzahlung weder in Empfang genommen noch über sie verfügt haben und deshalb nicht nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. haften, nach den allgemeinen Regeln des SGB X – nämlich mit Verwaltungsakt nach § 50 Abs. 3 SGB X – geltend zu machen sind. In diesem Falle greift aber nicht die verschärfte Haftung nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, sondern es finden die Vertrauensschutzregelungen des SGB X Anwendung (BT-Drucksache 13/3150, S.42; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rn. 16 zu § 96; Marschner; ZAP 1996 S. 577 f. Dörr, Kompaß 1996, S. 461; a.A.: Terdenge, a.a.O., Rn. 14a zu § 118).

 

Ob der Klägerin ein Anspruch gemäß § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII i.V.m. § 50 SGB X gegen den Beklagten zusteht, kann dahinstehen. Denn nach § 50 Abs. 3 SGB X ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Den ursprünglich erlassenen Bescheid vom 28.12.2000 hat die Klägerin mit Abhilfebescheid vom 14.06.2001 zurückgenommen (vgl. Freischmidt, in: Hauck/Nofts, SGB X, Stand: 9/2007, Rn. 19 zu § 50). Zudem fehlt es an der vor Erlass eines derartigen Bescheides erforderlichen Anhörung gemäß § 24 SGB X, die auch bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht nachgeholt worden ist (§ 41 SGB X).

 

3. Ausschließlich § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII regelt bezogen auf den vorliegenden Fall die Haftung der Erben (BT-Drucks. 13/3150, S. 42; Marschner, a.a.O., S. 578; Dörr, a.a.O., S. 461; Graeff, in: Hauck/Nofts, a.a.O., Rn. 13 zu § 96). Daneben besteht nicht - wie vom SG und der Klägerin angenommen - eine Haftung der Erben gemäß § 96 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 1967 BGB. Eine solche ist durch die Spezialregelung des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII ausgeschlossen. Ansonsten bliebe die einen Vertrauensschutz der Erben beabsichtigende Norm des § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. (vgl. oben) bedeutungslos.

 

Soweit das SG unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 28.08.1997 – 8 R KN 2/97 – argumentiert, unter § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. seien lediglich die sich unmittelbar aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Erstattungsansprüche zu subsumieren, und in Bezug auf den vorliegenden Fall die Auffassung vertritt, der Beklagte sei nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Versicherten eingetreten, ist dieser Argumentation nicht zu folgen. Der Beklagte ist vielmehr als Erbe durch die Erbfolge in das Leistungsverhältnis eingetreten (Graeff, a.a.O., Rn. 13 zu § 96). Das hat das BSG in seinem Urteil vom 29.07.1998 - B 9 V 5/98 R (zitiert nach Juris, Rn 15) - klargestellt. Danach ist nämlich zum 01.01.1996 durch die Einführung des § 620 Abs. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO), der Vorgängervorschrift des § 96 Abs. 4 SGB VII, und die Neufassung der gleichlautenden Vorschrift des § 118 Abs. 4 SGB VI insoweit eine Rechtsänderung eingetreten, als ab diesem Zeitpunkt ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Leistungsträger und den in den Normen genannten Personen (Empfänger der Geldleistung bzw. Verfügender; Erben) eingetreten ist. Aus dem vom SG zitierten Urteil des BSG ergibt sich nichts anderes. Im dortigen Verfahren wurde ein Anspruch gegenüber der kontoführenden Bank auf Rücküberweisung der überzahlten Rente mittels Verwaltungsakt geltend gemacht. Bezüglich dieser Bank hat das BSG ausgeführt, dass sie nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Berufsgenossenschaft eingetreten sei, sie vielmehr ausstehende Dritte ist.

 

Auch das von der Klägerin zur Untersetzung ihrer Argumentation zitierte Urteil des BSG vom 20.12.2001 – B 4 RA 53/01 – (SozR 3-2600 § 118 Nr. 9) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Insbesondere ist in diesem Urteil nicht auf die Norm des § 96 Abs. 4 Satz 3 a.F. – bzw. dessen Parallelnorm des § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI – eingegangen. Ebenso beschäftigt sich das Urteil nicht mit dem Verhältnis zwischen § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB VII a.F. im Verhältnis zu einer möglichen Haftung aus § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB VII a.F. i.V.m. § 1967 BGB.

 

4. Auf die Frage der Verjährung des Anspruchs kommt es vorliegend nicht an (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.09.2006 - B 4 RA 43/05 -, zitiert nach Juris, Rn 62 f.).

 

Nach alledem war der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

III.

 

Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten beider Instanzen zu tragen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gerichtskosten fallen nicht an. Weil das Verfahren vor dem 02.01.2002 erstinstanzlich anhängig war, setzt sich die Gerichtskostenfreiheit durch die Instanzen fort (BSG, Urteil vom 30.01.2002 - B 6 KA 12/01 R -), obwohl weder Klägerin noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.