Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2003 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 14. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2002 verurteilt, die Rentennachzahlung aus dem Bescheid vom 31. März 2000 auch vom 1. November 1999 bis zum 31. Dezember 1999 zu verzinsen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Beginn der Verzinsung einer Rentennachzahlung.

Die 1970 geborene Klägerin, eine gelernte Apothekenhelferin, nahm an einer medizinischen Rehabilitations-Maßnahme vom 28. August 1997 bis 18. September 1997 teil. Danach nahm sie am 22. September 1997 eine Beschäftigung als Kassiererin auf. Ab dem 7. September 1998 war sie arbeitsunfähig krank. Schon am 30. Januar 1998 hatte sie eine berufsfördernde Leistung in Form einer Umschulung (BKZ 7427) sowie eines Arthrodesenstuhls beantragt. Letzterer wurde mit Bescheid vom 21. August 1998 bewilligt. Der Umschulungsantrag wurde nicht ausdrücklich beschieden. Die Klägerin bezog bis zum 7. Juli 1999 Krankengeld. Danach war sie arbeitslos. Ein Antrag der Klägerin vom 12. Februar 1999 auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation (BKZ 8054) wurde mit Bescheid vom 10. März 1999 abgelehnt, weil seit der letzten medizinischen Leistungen noch keine vier Jahre vergangen seien und kein Fall der Dringlichkeit vorliege. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde von der Widerspruchsstelle der Beklagten im November 1999 zurückgewiesen, weil nicht zu erwarten sei, dass durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder der Eintritt von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit abgewendet werde könne.

Am 9. Juni 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsfähigkeit. Nachdem die Klägerin am 2. Februar 2000 einen Vorschussbescheid gemäß § 42 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) beantragt hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Februar 2000 mit, dass die Zahlung eines Rentenvorschusses nicht möglich sei, weil eine Geburtsurkunde noch nicht vorliege. Diese wurde noch im Februar nachgereicht.

Mit Bescheid vom 31. März 2000 wurde der Klägerin wegen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung ab dem 7. September 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beginnend ab 1. April 1999 und befristet bis zum 31. Juli 2001 bewilligt. Die Klägerin erhielt eine Rente ab dem 1. Mai 2000 in Höhe von 898,69 DM; für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 30. April 2000 errechnete sich eine zunächst wegen Erstattungsansprüchen einbehaltene Nachzahlung in Höhe von 11.647,27 DM. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, als Rentenantrag gelte nach § 116 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) der am 30. Januar 1998 gestellte Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Rehabilitation. Hiergegen legte die Klägerin am 9. Mai 2000 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 19. Juni 2000 ist die Nachzahlung abgerechnet worden; nach Befriedigung von Erstattungsansprüchen sind an die Klägerin 2.263,04 DM aus der Nachzahlung ausgezahlt worden. Mit Bescheid vom 25. Juli 2001 wurde die Befristung aufgehoben und dem Widerspruch insoweit abgeholfen. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 stellte die Beklagte die Rente von Anfang an neu und höher unter Einbeziehung einer von der Klägerin während des Vorverfahrens geleisteten Beitragsnachzahlung fest.

Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 13. September 2000 die Verzinsung der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 31. März 2000 beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 11. Oktober 2000 ohne Rechtsmittelbelehrung ab. Hiergegen legte die Klägerin rechtzeitig Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 14. November 2001 lehnte die Beklagte den Zinsanspruch erneut ab. Gemäß § 44 Abs. 2 SGB I beginne die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Zum Bescheid vom 31. März 2000 habe der vollständige Antrag am 11. Februar 2000 (Eingang der Geburtsurkunde) vorgelegen. Das Ende des sechsten Kalendermonats nach dem Kalendermonat des Antragseinganges sei somit der 31. August 2000. Am 28. Juni 2000 habe die Klägerin über die Nachzahlung verfügen können. Da das Verfügbarkeitsdatum vor dem Verzinsungsbeginn liege, ergebe sich für den Nachzahlungsbetrag kein Zinsanspruch. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2001 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14. November 2001 zurück. Die sich aus der Beitragsnachzahlung ergebenden Rentennachzahlung in Höhe von 14.040,64 DM hatte die Beklagte mit nicht angegriffenen Schreiben vom 14. Januar 2002 verzinst und Zinsen in Höhe von 479,41 DM festgestellt.

Am 26. April 2002 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie aus geführt, der Antrag auf berufsfördernde Leistungen sei durch die Beklagte nach § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag gewertet worden. Es leuchte nicht ein, wenn bei der Verzinsung eines Anspruchs auf vorgezogenes Übergangsgeld ein Verzinsungsanspruch bereits ab dem Zeitpunkt bestehe, ab welchem im Falle der unterbliebenen Rehabilitationsmaßnahme der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu verzinsen gewesen sei, im vorliegenden Fall Zinsen aber erst ab Vorliegen eines vollständigen Rentenantrags gezahlt würden. Es ergebe sich auch keine Obliegenheit aus § 44 SGB I dahingehend, dass im Zusammenhang mit dem Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation gleichzeitig auch Unterlagen vorzulegen seien, die es der Beklagten ermöglichten, alternativ auch über Rente zu entscheiden. Es sei nicht sachgerecht, unterschiedliche Anforderungen an Hauptanspruch und Zinsanspruch zu stellen. Die Gleichstellung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation mit dem Rentenantrag gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI müsse auch insoweit gelten, als die Verzinsung ausgehend von dem vollständigen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu berechnen sei.

Die Beklagte hat den Zinsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2002 anerkannt. Dieses - von der Beklagte im Juli 2003 durch Überweisung von 11,68 EUR ausgeführte - Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Die Beklagte ist der Klage im Übrigen entgegengetreten und hat ausgeführt, für die Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI und den sich hierbei ergebenden Rentenbeginn komme es nicht darauf an, ob ein Rentenantrag vollständig sei oder nicht. Für den Verzinsungsbeginn gemäß § 44 SGB I sei demgegenüber nicht nur eine rechtswirksame, sondern eine vollständige Antragstellung erforderlich.

Das SG hat die über das Anerkenntnis hinausgehende Klage mit Urteil vom 15. April 2003 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, ein vollständiger Leistungsantrag nach § 44 SGB I sei dann anzunehmen, wenn der zuständige Leistungsträger dadurch in die Lage versetzt werde, die von Amts wegen durchzuführende Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen. Für den Antragsteller bedeute Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeiten und -pflichten vorzubereiten und zu ermöglichen. Der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns im Rahmen des § 44 SGB I sei somit nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Zweck der Vorschrift des § 44 SGB I sei der Ausgleich von Nachteilen des Leistungsberechtigten. Soziale Geldleistungen bildeten, so die Ausführungen des Gesetzgebers, in der Regel die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten; würden sie verspätet gezahlt, seien oft Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig. Da auf Sozialleistungen beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestehe, sollten diese Nachteile ausgeglichen werden. Durch das Erfordernis eines vollständigen Leistungsantrags solle sichergestellt werden, dass vorzeitig gestellte unvollständige Anträge die Zinspflicht nicht begründeten. Werde darüber hinaus die Sechs-Monats-Frist überschritten, weil der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, sei der Leistungsträger befugt, die Zahlung von Zinsen abzulehnen (§ 66 SGB I). Hiervon ausgehend erscheine es zu weitgehend, den Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation im Rahmen des § 116 Abs. 2 SGB VI auch als vollständigen Rentenantrag im Sinne des § 44 SGB I zu behandeln.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem dem Bevollmächtigten der Klägerin am 12. Juni 2003 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 2. Juli 2003 Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2004 hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, nach § 116 Abs. 2 SGB VI müsse ein vollständiger Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als vollständiger Rentenantrag gewertet werden. Durch diesen Antrag sei die Beklagte in die Lage versetzt worden, von Amts wegen hinsichtlich Grund und Höhe zu prüfen. Da diese aufgrund des Antrags vom 12. Februar 1999 gewusst habe, dass ihre Dispositionsbefugnisse nach § 51 SGB V eingeschränkt gewesen seien, hätte sie die Beklagte mit der Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom 10. März 1999 darauf hinweisen müssen, dass der Antrag nach ergänzenden Ermittlungen als Rentenantrag zu werten sei. Dagegen habe die Beklagte in diesem Bescheid noch ausgeführt, dass vorzeitige Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht aus gesundheitlichen Gründen dringend notwendig seien. Erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens habe sie annehmen können, dass ein Rentenantrag Erfolg haben würde.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2003 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2002 zu verurteilen, die Rentennachzahlung auch für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis zum 31. Dezember 1999 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Gründe des angegriffenen Urteils, das sie für zutreffend hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2002 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die von ihr begehrte Verzinsung der Nachzahlung ihrer Altersrente für die Monate November 1999 und Dezember 1999, jedoch nicht bereits ab April 1999.

Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen grundsätzlich nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Fälligkeit hängt gemäß § 41 SGB I vom Entstehen der Ansprüche auf Sozialleistungen ab, soweit die besonderen Teile des Gesetzbuchs keine Regelung enthalten. Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen nach § 40 SGB I, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist ausgehend von einer fiktiven Rentenantragstellung am 30. Januar 1998 und dem Eintritt des Leistungsfalls am 7. September 1998 im September 1998 entstanden und am 1. April 1999 fällig geworden (vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 28. Juni 2002 geltenden Fassung enthielt noch keine spezielle Regelung der Fälligkeit), weil - insoweit in Bindungswirkung erwachsen - lediglich eine befristete, später verlängerte Rente bewilligt wurde, welche nicht vor Beginn des siebten Monats nach dem Eintritt des Leistungsfalls geleistet wird (vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI).

Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Verzinst werden volle Deutsche-Mark-Beträge; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen (§ 44 Abs. 3 SGB I in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Nach § 44 Abs. 2 SGB I entsteht der akzessorische Zinsanspruch damit nicht bereits mit Fälligkeit einer auf Antrag zu gewährenden Hauptleistung, sondern frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Vorliegen des vollständigen Leistungsantrags (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 11 m.w.N.). Dies bedeutet, dass auch dann, wenn bei Antragstellung schon alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und die Leistung gemäß § 41 SGB I bereits bei Antragstellung fällig ist, Zinsen erst sechs Monate nach Stellung eines vollständigen Leistungsantrags zu zahlen sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Hauptleistung noch für einen Zeitraum von drei Monaten vor Antragstellung (§ 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI) zu erbringen ist. Ein Ausgleich von Nachteilen durch eine verzögerte Leistungsgewährung durch Zinszahlung ist damit grundsätzlich erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Vorliegen des vollständigen Leistungsantrags vorgesehen.

Feststeht, dass ein Rentenantrag erst im Juni 1999 gestellt wurde. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung gilt aber der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte erwerbsunfähig, berufsunfähig oder im Bergbau vermindert berufsfähig sind und eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit nicht verhindert haben. Die Voraussetzungen für die Umdeutung lagen hier vor. Die Klägerin hat am 30. Januar 1998 einen noch nicht verbrauchten Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation, am 12. Februar 1999 einen aussichtslosen Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation gestellt und ist seit September 1998 erwerbsunfähig (vgl. unten). Ausgehend von den umzudeutenden Anträgen vom 30. Januar 1998 und 12. Februar 1999 scheitert der Zinsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis 30. September 1999 aber daran, dass diese Anträge bis April 1999 noch keine vollständigen Rentenanträge waren. Ein Antrag ist im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I dann vollständig, wenn der Leistungsträger in der Lage ist, Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu prüfen (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 8; SozR 3 1200 § 44 Nr. 4 - Unterbreitung aller Tatsachen, die zur Feststellung der Leistung erforderlich sind). Zweck der Vorschrift des § 44 SGB I ist nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Ausgleich von Nachteilen des Leistungsberechtigten. Soziale Geldleistungen bildeten in der Regel die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten; würden sie verspätet gezahlt, seien oft Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig. Da auf Sozialleistungen beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestehe, sollten diese Nachteile ausgeglichen werden. Durch das Erfordernis eines vollständigen Leistungsantrags solle sichergestellt werden, dass vorzeitig gestellte unvollständige Anträge die Zinspflicht nicht begründeten. Werde darüber hinaus die Sechs-Monats-Frist überschritten, weil der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, sei der Leistungsträger befugt, die Zahlung von Zinsen abzulehnen (§ 66 SGB I) (vgl. BT-Drucks. 7/868, S. 30). Hiervon ausgehend beginnt, wenn ein (zunächst) unvollständiger Antrag durch spätere Mitwirkung des Berechtigten vervollständigt wird, die Sechs-Monats-Frist mit dem Zeitpunkt, in dem die letzte entscheidungserhebliche Mitwirkungshandlung erfolgt ist. Ein unvollständiger Antrag gilt als vollständig, wenn verbliebene Informationsdefizite allein in den Verantwortungsbereich des Leistungsträgers fallen. Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck vollständig ausgefüllt und die darin als beizubringend bezeichneten Unterlagen eingereicht hat (BSGE 65, 160 = SozR 1200 § 44 Nr. 24).

Zinsen für die Zeit ab 1. Mai 1999 könnten der Klägerin dementsprechend nur dann zustehen, wenn ein vollständiger - Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation aufgrund der Umdeutung nach § 116 Abs. 2 SGB VI grundsätzlich als vollständiger Leistungsantrag behandelt werden müsste (so SG Detmold, Urteil vom 26. April 2000 S 9 (7) RJ 16/99 -). Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Zinsanspruch aus § 44 SGB I ist ein akzessorischer Nebenanspruch zu dem jeweiligen Hauptanspruch. Aus § 44 SGB I ergeben sich aber für die Entstehung des Zinsanspruchs über das Bestehen des Hauptanspruchs und dessen Fälligkeit hinausgehende Voraussetzungen. Die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI sieht lediglich vor, dass der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente und nicht, dass der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation rückwirkend ab Antragstellung auch als vollständiger Rentenantrag im Sinne des § 44 SGB I zu behandeln ist. Nach dem Sinn und Zweck der Sechs-Monats-Frist ist es eine Mindestvoraussetzung für die Annahme eines vollständigen Rentenantrags, dass die Behörde erkennen kann und muss, dass mit dem ihr vorliegenden Antrag Rente begehrt wird. Dies ist in den hier maßgeblichen Umdeutungsfällen erst dann der Fall, wenn bei pflichtgemäßem Geschäftsgang das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI für die Beklagte feststellbar ist. Die Behörde ist von Amts wegen verpflichtet, den Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag umzudeuten und als Rentenantrag zu bearbeiten. Dies rechtfertigt es wiederum, auch schon ab diesem Zeitpunkt und nicht erst mit der Vorlage vollständiger Rentenantragsformulare - einen vollständigen Rentenantrag anzunehmen, weil der Versicherte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI in der Regel nicht selbst beurteilen kann und keinen Einfluss darauf hat, wann ihn die Beklagte auffordert, Rentenantragsformulare vorzulegen. Eine strengere Auslegung würde zu gegenüber dem Sinn und Zweck des § 116 Abs. 2 SGB VI nicht gerechtfertigten Nachteilen führen. Allerdings scheidet ein früherer Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der Sechs-Monats-Frist ebenfalls aus. Denn erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI für die Behörde feststellbar sind, ist sie verpflichtet und berechtigt, den Antrag als Rentenantrag im Wege der Amtsermittlung zu bearbeiten (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und ggf. auf die Vervollständigung hinzuwirken. Erst ab diesem Zeitpunkt können Vorschüsse oder vorläufige Leistungen (§§ 42, 43 SGB I) auf die Rente gezahlt werden, die eine spätere Verzinsung auf den ggf. überschießenden Differenzbetrag beschränken (BT-Drucks. 7/868 S 30, zu § 44). Würde man demgegenüber den Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation nachträglich bereits ab dem Zeitpunkt, in dem er gestellt wurde, als vollständigen Rentenantrag ansehen, hätte dies die Konsequenz, dass die Behörde es in Umdeutungsfällen nicht in der Hand hätte, durch zügige Bearbeitung des Antrags und frühzeitiger Leistungsbewilligung sowie Vorschusszahlungen Zinszahlungen zu verhindern oder zu verringern. Dies würde Sinn und Zweck des § 44 Abs. 2 SGB I widersprechen.

Eine großzügigere Auslegung ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 116 Abs. 2 SGB VI. Nach der Gesetzesbegründung sollte insbesondere verhindert werden, dass die Umdeutung eines Rentenantrags in einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation im Falle einer späteren Rückumdeutung zu einem verzögerten Rentenbeginn führt. Durch die in § 116 Abs. 2 SGB VI enthaltene Fiktion sollte darüber hinaus allgemein sichergestellt werden, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft eines Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken kann (BT-Drucks. 11/4124, S. 178f.). Dem wird die Auffassung, dass ein Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation erst dann ein vollständiger Rentenantrag ist, wenn die Voraussetzungen für seine Umdeutung feststellbar sind, gerecht. Es kann offen bleiben, ob für die maßgebliche Erwerbsunfähigkeitsrente die Sechs-Monatsfrist durch einen vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit gestellten vollständigen Rentenantrag in Lauf gesetzt werden kann oder hier der Grundsatz eingreift, dass ein Antrag auf Geldleistung, deren Beginn noch nicht festzustellen ist, nicht die für den Verzinsungsbeginn maßgebliche Sechs-Monatsfrist des § 44 Abs. 2 SGB I in Lauf setzt (BSG SozR 3-1200 § 44 Nr. 3). Der Vorteil, den diejenigen Versicherten, die Rente ohne vorherigen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation beantragen, in dem Fall haben, in dem ihr Rentenanspruch erst nach vollständigem oder teilweisem Ablauf der Sechs-Monats-Frist entsteht, so dass eine Verzinsung entsprechend früher oder bereits nach Ablauf eines Monats nach Eintritt der Fälligkeit erfolgt, rechtfertigt sich dadurch, dass die Behörde den vorzeitigen Rentenantrag zügig prüfen und wegen des fehlenden Rentenanspruchs ablehnen kann, womit der Antrag verbraucht ist (BSG SozR 3-1200 § 44 Nr. 3). Demgegenüber werden die Umdeutungsvoraussetzungen in der Regel zwar erst nach Eintritt des Leistungsfalls feststellbar sein, so dass die Sechs-Monats-Frist nach Stellung eines Rehabilitationsantrags auch erst nach Vorliegen des Anspruchs in Lauf gesetzt wird. Ein Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation kann aber vor Eintritt der Voraussetzungen des § 116 SGB VI auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil ein Anspruch auf Rente nicht besteht, was in diesen Fällen den Verbrauch des vor der Anspruchsberechtigung gestellten Antrags verhindert.

Nach diesem Maßstab waren die Rehabilitationsanträge der Klägerin im April 1999 vollständige Rentenanträge, weil zu diesem Zeitpunkt bei pflichtgemäßem Geschäftsgang das Vorliegen der Umdeutungsvoraussetzungen für die Beklagte feststellbar war. Die Rehabilitationsmaßnahme im August und September 1997 war nicht erfolglos. Nach dem Bericht der Reha-Klinik, B. D. wurde die Klägerin mit vollschichtigem Leistungsvermögen für geistige und leichte körperliche Tätigkeiten im Sitzen entlassen. Die Klägerin hat anschließend auch bis September 1998 wieder gearbeitet. Die am 30. Januar 1998 beantragte Umschulungsmaßnahme hatte sich offensichtlich als nicht Erfolg versprechend erwiesen. Die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit ab September 1998 ließ für sich gesehen jedoch noch keinen Rückschluss auf das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu. Nach dem Inhalt der Akten wird erstmalig von Dr. W. in seinem Gutachten für den medizinischen Dienst der Krankenkasse vom 9. Februar 1999 mitgeteilt, dass bei geminderter Erwerbsfähigkeit von erneuten Rehabilitationsmaßnahmen keine durchgreifende Besserung erwartet werden kann. Dieses Gutachten ist der Beklagten mit dem Rehabilitationsantrag vom 12. Februar 1999 vorgelegt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt war sie veranlasst, die Umdeutungsvoraussetzungen zu prüfen. Allerdings hat die Beklagte erst am 24. Juni 1999 ein medizinisches Gutachten hierzu bei Dr. O. in Auftrag gegeben, das ihr am 20. Juli 1999 vorlag. Objektiv war der Leistungsfall, wie sich aus dem Gutachten von Dr. O. vom 15. Juli 1999 ergibt, seit September 1998 eingetreten; eine erfolgreiche Rehabilitation war nicht zu erwarten. Die verzögerte Feststellung dieser Voraussetzungen liegt in der Sphäre der Behörde. Sie hätte bei zügiger Bearbeitung das Vorliegen der Umdeutungsvoraussetzungen spätestens im Lauf des Monats April 1999 erkennen können, wenn sie - was möglich war im Februar 1999 einen Auftrag für ein bis Ende März zu erstellendes Gutachten erteilt hätte. War das Vorliegen der Umdeutungsvoraussetzungen für die Beklagte aber zu diesem Zeitpunkt feststellbar, musste sie den Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation ab April 1999 als Rentenantrag ansehen.

Lag nach alledem ein vollständiger Rentenantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I erst im Lauf des April 1999 vor, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verzinsung der mit Bescheid vom gewährten Nachzahlung für die Monate April bis Oktober 1999, sondern lediglich für die Monate November und Dezember 1999.

Ein weitergehender Zinsanspruch ist auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abzuleiten. Dieser Anspruch zielt darauf ab, einen Versicherten im Falle des pflichtwidrigen Verhaltens eines Sozialleistungsträgers so zu stellen, als ob sich der Leistungsträger von Anfang an pflichtgemäß verhalten hätte. Die Beklagte war im Jahre 1998 aber schon deshalb nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit einer Renteninanspruchnahme hinzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Rentengewährung erst im April 1999 feststellbar waren. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer späteren Umdeutung in einen Rentenantrag hätte nichts daran geändert, dass dieser im vorliegenden Fall nicht vor dem Eintritt der Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI und damit erst ab dem 1. Mai 1999 als vollständiger Rentenantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I anzusehen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Rechtsfrage, wann ein nach § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag geltender Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB I ein vollständiger Leistungsantrag ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.