Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2005 und der Bescheid vom 23. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2004 dahingehend abgeändert, dass der Kläger nur 13.533,99 EUR zu erstatten hat.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen zu 9/10, die Beklagte zu 1/10. Der Streitwert wird auf 15.149,72 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung der Witwenrentenleistung von Dezember 1997 bis Juli 2000 in Höhe von 15.149,72 EUR von einem Dritten (dem Kläger) streitig.

Der 1966 geborene J. M. war als Krankenpfleger bei der Beklagten rentenversichert. Nach dessen Tod am 17. Dezember 1990 erhielt seine Witwe D. M. (im Folgenden M. genannt) von der Beklagten eine Witwenrente aus dessen Versicherung. Neben der Witwenrente gewährte die Beklagte dem gemeinsamen Sohn F. M. noch eine Halbwaisenrente.

Nach dem Tode des J. M. lernte M. über eine Partnerschaftsagentur den Kläger kennen, mit dem sie seit 1993 eine Lebensgemeinschaft führte. Mit ihm hat sie einen gemeinsamen Sohn A ...

Am 24. November 1997 verschwand M., nachdem sie noch ihren Sohn F. zur Schule verabschiedet hatte, spurlos unter Zurücklassen beider Kinder (im Alter von 12 Monaten bzw. 8 Jahren), sämtlicher Ausweise (insbesondere Personalausweis, Führerschein und Krankenversicherungskarte) sowie ihres Pkw. Sie hat seitdem auch kein Geld mehr von ihrem Konto bei der Postbank abgehoben. Ein Nachsendeauftrag bei der Post wurde, anders als bei ihren jeweiligen Aufenthalten im Frauenhaus, nicht gestellt. Nach den polizeilichen Ermittlungen beabsichtigte M., sich von dem Kläger zu trennen und hatte mit Hilfe ihres Bruders bereits eine Wohnung gefunden (Bl. 184 der Ermittlungsakte Band II). Ihrem Sohn F. gegenüber hatte sie den Umzug bereits für die Zeit vor Weihnachten angekündigt (Bl. 168 der Ermittlungsakte Band II). Sie hatte einen Rechtsanwalt beauftragt, ihr bei der Wiederbeschaffung des in das gemeinsam bewohnte Haus eingebrachten Geldes (ca. 130.000,- DM, Bl. 195 ff., 224 der Ermittlungsakte Band II) rechtlich zur Seite zu stehen (Bl. 222 der Ermittlungsakte Band II). Die Gründe für die beabsichtigte Trennung waren nach den Ermittlungen vielschichtig, unter anderem aber deshalb, weil es des öfteren zu Gewaltanwendungen von Seiten des Klägers kam (insb. Bl. 296 der Ermittlungsakte Band II). Aus diesem Grunde hatte M. den Kläger bereits zweimal im Jahr 1997 verlassen und Unterkunft im Frauenhaus gesucht. Hierbei nahm sie jedes Mal ihre beiden Kinder mit. Bekannte und Verwandte gaben an, dass M. niemals ohne ihre Kinder fortgegangen wäre. Im Bekannten- und Familienkreis wie auch gegenüber ihrem Rechtsanwalt hatte sie geäußert, große Angst vor ihrem Lebensgefährten zu haben. Nach den Ermittlungen ist weiter ein eigenständiges Verschwinden der M. unwahrscheinlich. Das Wohnhaus lag ohne jede Nahverkehrsverbindung in einsamer Lage auf dem Land, ein Taxiunternehmen wurde nicht beauftragt, sie hat auch den Schulbus nicht benutzt, ihr Auto und das des Klägers standen noch vor Ort.

Ihre Ärztin bestätigte, dass M. zum Zeitpunkt ihres Verschwindens im zweiten Monat schwanger war (Bl. 215 der Ermittlungsakte Band II). Das auf 15:00 Uhr am 24. November 1997 vereinbarte Beratungsgespräch wegen des geplanten Schwangerschaftsabbruchs (Bl.175 der Ermittlungsakte Band II) nahm M. ebenso wenig wahr wie den Elternsprechtag am 25. November 1997 (Bl. 231 der Ermittlungsakte Band II). Das Absuchen des Wohnhauses und des Grundstücks mit Leichensuchhunden verlief negativ, ebenso das Abfliegen der näheren Umgebung des Hauses mit Wärmebildkameras. Dies gilt auch für Presseveröffentlichungen im deutschen und niederländischen Grenzgebiet. Der Kläger überreichte der Polizei einen mit großer Sicherheit von M. geschriebenen Zettel (LKA-Gutachten vom 20. Februar 1998, Bl. 412 ff. der Ermittlungsakte Band III) des Inhalts: "Hallo J., ich weiß, Du wirst es nicht verstehen, aber ich denke, Du wirst mit den Kindern klar kommen, deshalb muss ich gehen. Bitte tu mir einen Gefallen, und suche nicht nach mir. D." (Bl. 22 der Ermittlungsakte Band I). Eine Altersbestimmung des Schreibens war nicht möglich. In den Befragungen erklärte der Kläger der Polizei weiter, dass M. keinerlei persönliche Gegenstände - mit Ausnahme eines Kartons mit Kontobelegen - mitgenommen habe (Kleidung, Koffer oder ähnliches) und er auch keine Kontovollmacht für ihr Konto bei der Postbank habe. Am 08.12.1997 sei von ihrem Konto eine Überweisung über 1.000,- DM auf sein Konto getätigt worden (Bl. 134 der Ermittlungsakte Band I). Aufgrund der Gesamtumstände schloss die Polizei ein Verbrechen zum Nachteil von M. nicht aus. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft O. vom 11. Dezember 2001 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt (42 Js 49715/01).

Die Beklagte zahlte in der Folgezeit weiterhin Witwenrente, die der Kläger als Kontobevollmächtigter der M. in Empfang nahm.

Der Vormund von F. M., das Jugendamt des Landkreises G. B., teilte bereits am 21. Juli 1999 mit, dass die Vermutung bestehe, dass M. einem Verbrechen zum Opfer gefallen sei und der Kläger auf das Konto, auf das die Witwenrente überwiesen werde, Zugriff und entsprechende Auszahlungen veranlasst habe. Im Hinblick auf eventuelle Erbansprüche des Sohnes solle geklärt werden, inwieweit die Einstellung der Rentenzahlung in Betracht zu ziehen sei. Hierauf teilte die Beklagte mit, die Zahlung der Witwenrente könne erst dann eingestellt werden, wenn eine Erklärung über den Tod nach dem Verschollenheitsgesetz vorliege. Auch die Halbwaisenrente werde aufgrund des Antrages vom 2. November 1998 auf das Konto des Klägers gezahlt.

Daraufhin beantragte der Vormund am 18. Mai 2000 für F. M. die Gewährung einer Vollwaisenrente rückwirkend ab 24. November 1997. Im Zuge dieses Verfahrens stellte die Beklagte per 31. Juli 2000 die Zahlung der Witwenrente ein (Bl. 70, 78 der Leistungsakte).

Nach Beiziehung der Ermittlungsakten kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass auch unter Beachtung des Umstandes, dass die Kripo und die Staatsanwaltschaft es für wahrscheinlich hielten, dass ein Verbrechen zum Nachteil der M. verübt worden sei, der Tod bereits ab dem Tag des Verschwindens, dem 24. November 1997, angenommen werden müsse. Nachdem der zwischenzeitlich örtlich zuständig gewordene Vormund, das Jugendamt der Kreisverwaltung A. versicherte, dass weitere Nachrichten über das Verbleiben der M. nicht bekannt seien, bewilligte die Beklagte für F. M. eine Vollwaisenrente mit Bescheid vom 6. August 2002 unter Feststellung, dass der letzte unterhaltspflichtige Elternteil am 24. November 1997 verstorben sei (Bl. 154 der Leistungsakte Band I).

Auf Nachfrage seitens der Beklagten teilte das kontoführende Institut, die Postbank H., mit, das Girokonto sei am 7. April 2000 von der Postbank H. gelöscht worden. Das Guthaben in Höhe von 3.160,10 DM sei auf ein Verwahrkonto der Postbank gebucht und im Januar 2001 an das Konto der Rechtsanwaltskanzlei Dr. H. & K. weitergeleitet worden. Bis zur Löschung sei der einzige Verfügungsberechtigte der Kläger gewesen (Bl. 233 der Leistungsakte Band II).

Die Beklagte leitete daraufhin das Anhörungsverfahren nach § 24 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ein und forderte mit Bescheid vom 23. September 2003 von dem Kläger den überzahlten Rentenbetrag in Höhe von 15.149,72 EUR für die Zeit von Dezember 1997 bis Juli 2000 nach § 118 Abs. 4 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zurück. Sein Vortrag, die Rückforderung sei nicht zulässig, da die Rentenempfängerin trotz ihrer Verschollenheit nicht tot im Sinne des Gesetzes sei, sei nicht dazu geeignet, von einer Rückforderung abzusehen. Bei der Rückforderung seien Vertrauensschutz- oder Entreicherungsaspekte nicht zu berücksichtigen.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Feststellung des Todestages könne allein für den Anspruch auf Vollwaisenrente wirken. Da die Berechtigte lediglich verschollen und nicht tot sei, seien auch die Geldleistungen nicht nach dem Tode des Berechtigten erbracht. Folglich sei er nicht zur Rückerstattung verpflichtet. Im übrigen seien der Beklagten sämtliche Umstände bereits bekannt gewesen, so dass er auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungen hätte vertrauen dürfen. Der Geldbetrag sei in seinem Vermögen auch nicht mehr vorhanden. Er sei folglich entreichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dem Begehren von F. M. auf Gewährung einer Vollwaisenrente hätte nur entsprochen werden können, nachdem der Tod der Mutter festgestellt worden sei. Diese Feststellung sei nach Auswertung der Ermittlungsakten getroffen worden. Mit der Feststellung des Todeszeitpunktes der Witwe zum 24. November 1997 sei gleichzeitig festgestellt worden, dass ein Anspruch auf Witwenrente ab dem 1. Dezember 1997 infolge des festgestellten Todes nicht mehr bestehe. Der Kläger habe als Kontobevollmächtigter die Witwenrentenleistung über den Todeszeitpunkt der Witwe bis zum 31. Juli 2000 in Empfang genommen. Deswegen sei er als Empfänger einer über den Tod des Berechtigten hinaus erbrachten Rentenleistung nach § 118 Abs. 4 SGB VI zur Erstattung der Leistung verpflichtet.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Koblenz erhobenen Klage, durch Beschluss vom 20. Juli 2004 an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwiesen, machte der Kläger geltend, es fehle am Tatbestandsmerkmal des Todes des Berechtigten. Auch habe sich die Widerspruchsstelle der Beklagten nicht ausreichend mit seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren auseinandergesetzt. Insbesondere seien Witwen- und Vollwaisenrente nicht während des gesamten streitigen Rückforderungszeitraumes zeitlich deckungsgleich gewährt. Die Vollwaisenrente sei nämlich nur für den Zeitraum von Mai 1999 bis Dezember 2006 bewilligt worden. Damit liege im Zeitraum Dezember 1997 bis April 1999 eine zeitgleiche Bewilligung nicht vor.

Mit Urteil vom 28. Juli 2005, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 4. Oktober 2005, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die tatbesthandlichen Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI seien erfüllt, so dass nur noch zu prüfen gewesen wäre, ob die Beklagte zutreffend den Tod der M. auf den 24. November 1997 festgestellt habe. Dies sei im Zusammenhang mit der Feststellung der Vollwaisenrente für F. M. der Fall gewesen. Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung habe die Beklagte zu Recht erkannt, dass die Feststellung des Todes nicht allein für den Anspruch auf Vollwaisenrente wirke, sondern sich von den Feststellungen für Witwenrente nicht trennen lasse. Wenn Anspruch auf Vollwaisenrente bestehe, erlösche folglich der Anspruch auf Hinterbliebenenrente.

Mit seiner dagegen am 28. Oktober 2005 eingelegten Berufung macht der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens geltend, dass er von seiner Kontovollmacht bis zur Löschung des Kontos Gebrauch gemacht und damit die Lebenshaltungskosten für sich und die beiden Kinder gedeckt habe. Seine Vollmacht sei zeitlich nicht befristet gewesen. Er habe die Versorgung der Kinder unter Aufgabe seiner eigenen Berufstätigkeit übernommen. Sein Beschäftigungsverhältnis sei im Zuge der Ermittlungen arbeitgeberseitig gekündigt worden. Anspruch auf Arbeitslosengeld habe er deswegen nicht gehabt. Seinem Antrag auf Arbeitslosengeld sei auch deswegen nicht entsprochen worden, weil er aufgrund der Betreuung des Babys und des Kleinkindes der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Deswegen habe ihm der Landkreis G. B. Sozialhilfeleistungen ab dem 10. Februar 1998 bewilligt. Die Aufwendungen bis 31. Mai 1999 in Höhe von 15.677,88 DM habe aber der Landkreis zurückverlangt, nachdem ein Gutachten über den Verkehrswert des in seinem Alleineigentum stehenden Grundstückes eingeholt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2004 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger nunmehr verpflichtet sei, einen Betrag von 13.533,99 EUR zu erstatten, da der Betrag von 1.615,73 EUR auf dem Treuhandkonto der Rechtsanwaltskanzlei Dr. H. & K. verwahrt worden sei.

Der Sachverhalt wurde am 22. März 2006 mit den Parteien erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die beigezogenen Ermittlungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist statthaft, da die Erstattungsforderung die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR übersteigt. Die damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist indessen nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid vom 23. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2004 ist insoweit rechtswidrig, als von dem Kläger auch 1.615,73 EUR zurückgefordert werden, die von ihm nicht unmittelbar in Empfang genommen wurden. Im übrigen erweist sich aber das angefochtene Urteil als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung ist daher im Ergebnis überwiegend unbegründet geblieben.

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger) als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger auch zur Überzeugung des Senats vor. Der Kläger hat nach der Auskunft der Postbank H. als der einzige Verfügungsberechtigte über das Konto der M. verfügt. Dies hat der Kläger auch selbst in dem Erörterungstermin vom 22. März 2006 bestätigt. Er war damit Verfügender über die Geldleistungen im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI.

Die Beklagte ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Tod der M. über deren Konto kraft der ihm erteilten Vollmacht verfügt hat und ist in diesem Zusammenhang von dem Tod der Berechtigten M. ausgegangen (vgl. zum Folgenden Urteil des BSG vom 29. Juli 1976 - 4 RJ 5/76 - Breithaupt 1977, 608). Die Entscheidung des BSG erging zwar zu § 1271 RVO, der Vorgängervorschrift zu § 49 SGB VI, ist jedoch weiterhin maßgeblich, da beide Vorschriften in den hier interessierenden Fragen deckungsgleich sind. Sie regeln inhaltlich die Möglichkeit, Hinterbliebenenrenten unabhängig vom Verschollenheitsgesetz (VerschG) zu gewähren. Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG an, derzufolge sich Versichertenrente und Hinterbliebenenrenten aus demselben Versicherungsverhältnis ausschließen. Dies gilt auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich Witwenrenten und Vollwaisenrente gegenüberstehen, da auch sie aus einem Versicherungsverhältnis stammen und sich gegenseitig ausschließen, da Voraussetzung für die Vollwaisenrente der Tod der M. ist. Nach § 49 Satz 3 SGB VI ist nämlich der Träger der Rentenversicherung berechtigt, für die Rentenleistung den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Diesen Tod hat die Beklagte ohne Rechtsirrtum für die Leistung der Vollwaisenrente des F. M. auf den 24. November 1997 festgestellt mit der Rechtsfolge, dass ein Anspruch auf Witwenrente zugunsten der M. ab 1. Dezember 1997 infolge des festgestellten Todes nicht mehr bestand.

Festzustellen ist danach der nach den Umständen mutmaßliche Todestag, wobei es sich um eine Tatsachenfeststellung handelt, deren Richtigkeit von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nachgeprüft wird und nur für die Leistung der Rente wegen Todes (hier die Vollwaisenrente) Wirksamkeit entfaltet (so Gürtner, in Kasseler Kommentar, § 49 SGB VI Rdnr. 8). Die Feststellung setzt nach Satz 1 der Vorschrift voraus, dass Ehegatten, geschiedene Ehegatten oder Elternteile verschollen sind. Diese gelten als verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Es gilt der Begriff der Verschollenheit nach § 1 Abs. 1 Verschollenheitsgesetz (VerschG). Danach ist verschollen, wessen Aufenthalt über längere Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden.

Da die Leiche der M. trotz Absuchens des Grundstücks mit Leichenspürhunden und Wärmebildkameras nicht gefunden wie auch später bei weiblichen Leichenfunden nicht identifiziert werden konnte, scheidet sowohl ein Unfall oder ein Selbstmord als Erklärung für das Verschwinden der M. aus, letzterer auch, weil keinerlei Anhaltspunkte für eine Suizidneigung oder Depressivität vorliegen. Die M. muss daher entweder untergetaucht oder zu Tode gekommen sein. Zwar spricht für die Version des Klägers, M. habe ihn verlassen und sei deswegen nur verschollen, ihre Trennungsabsicht, der vorgefundene Abschiedsbrief wie die Überweisung. Gerade vor dem Hintergrund der Gewaltanwendungen als auch der im Bekannten- und Verwandtenkreis geschilderten Angst der M. vor ihrem Partner würde auch ihr Untertauchen durchaus Sinn machen. Der Senat ist allerdings in Auswertung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis gelangt, dass von dem Tod der M. seit dem 24. November 1997 ausgegangen werden muss. Hierfür spricht, dass sie ohne Personalausweis, Führerschein oder sonstige Papiere verschwand und auch keinerlei Barmittel hatte. Für sich selbst hat sie von dem Konto bei der Postbank, auf das die Witwenrente floss, keine Abhebung veranlasst. Die Behauptung des Klägers, die M. habe noch über Konten bei der Citybank und der Sparkasse M. verfügt, ließ sich im Zuge der Nachforschungen nicht beweisen (Bl. 163 ff. der Ermittlungsakte Band I). Es ist daher nicht ersichtlich, von welcher materiellen Existenzgrundlage die M. seit ihrem Verschwinden gelebt haben soll. Sie war im zweiten Monat schwanger und hätte daher ärztlicher Betreuung bedurft. Die Schwangerschaft hätte auch ihr "Untertauchen" erschwert, zumal ihr sehr isoliertes Wohnen auf dem Lande eine sorgfältige Planung eines Verschwindens, welches ihr ermöglicht hätte, über mehrere Jahre unentdeckt zu bleiben, nahezu unmöglich gemacht hätte. Termine am 24. und 25. November hat M. nicht mehr wahrgenommen. Sie hatte die Trennung von ihrem Lebensgefährten vorbereitet, bereits einen Rechtsanwalt damit mandatiert, ihr in das Haus eingebrachtes Vermögen (ca. 130.000 DM) von dem Lebensgefährten herauszuverlangen und mit Hilfe ihres Bruders eine Wohnung für sich und ihre Kinder gefunden. Ausschlaggebend hierfür war nach den Ermittlungen, dass es des Öfteren zu Gewaltanwendungen kam, sie deswegen mehrfach das Haus verlassen und Unterkunft im Frauenhaus gesucht hatte, dabei aber jeweils beide Kinder mitnahm. Auch alle Bekannten und Verwandten haben in dem Ermittlungsverfahren bestätigt, dass die M. niemals ohne ihre Kinder fortgegangen wäre. Dafür spricht auch, dass sie eine Wohnung für sich und die Kinder angemietet und ihren Sohn F. in ihre Pläne eingeweiht hatte. Die näheren Umstände des Geschehens am 24. November 1997 machen ein eigenständiges Verschwinden - innerhalb eines Zeithorizonts von wenigen Stunden während der vormittäglichen Schulzeit des Sohnes F. - unwahrscheinlich, da das Wohnhaus ohne jegliche Nahverkehrsanbindung auf dem Land lag, sie ein Taxiunternehmen nicht beauftragt oder den Schulbus nicht genommen hatte und weder ihres noch das Auto des Klägers nutzte. Der aufgefundene Abschiedsbrief, der nach sachverständiger Würdigung von M. herrührt, kann dagegen die Vermutung vom Ableben der M. ebenso wenig beseitigen wie die getätigte Überweisung von 1000,- DM. Zum einen bestand kein Anlass für eine solche Überweisung, da der Kläger entgegen seinen Angaben gegenüber der Polizei Kontovollmacht hatte, zum anderen belegen beide Schriftstücke (der Überweisungsträger wie der vorgefundene Zettel) lediglich, dass Ausstellerin jeweils die M. war, nicht jedoch, ob sie noch lebt bzw. zu welchem Zeitpunkt die Schriftstücke verfasst wurden.

Weiterhin sind seit dem Verschwinden der M., d.h. nunmehr seit fast 10 Jahren, keinerlei Nachrichten über ihr Leben mehr eingegangen. Auch dies ergibt sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten wie auch den Angaben des Klägers.

Somit war die Beklagte im Zusammenhang mit der Antragstellung von F. M. berechtigt, den Tod der M. auf den 24. November 1997 festzustellen. Diese Fiktion des Todes, die mit der Feststellung vom 6. August 2002, nämlich dem Rentenbescheid über die Zahlung der Vollwaisenrente an F. M., getroffen wurde, wirkt sich auch auf die der M. geleisteten Witwenrente aus (so auch BSG a.a.O.). Die Wirkungen der Feststellungen des Todestages können nicht voneinander getrennt werden. Ansonsten bestünde ein Wertungswiderspruch, wenn einerseits davon ausgegangen wird, dass der Sohn der Berechtigten nunmehr Vollwaise ist, weil seine Mutter verstorben ist, andererseits diese aber noch Witwenrente erhält, weil sie als Verschollene erst nach zehn Jahren für tot erklärt werden kann. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Renten deckungsgleich gezahlt wurden. Dies folgt nämlich für die Vollwaisenrente rechtlich allein daraus, dass eine solche erst ab Antragstellung gezahlt werden kann (§ 99 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 SGB VI). Unabhängig davon kann aber der Tod des Elternteils wie vorliegend schon früher eingetreten sein.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 SGB VI liegen vor. Die Beklagte hat den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger geltend gemacht (§ 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI). Der Erstattungsanspruch ist auch nicht verjährt. Nach § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verjährt dieser nämlich erst 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Die Beklagte hat erstmals durch Schreiben des Vormundes vom 19. Juli 1999, bei der Beklagten eingegangen am 21. Juli 1999, Kenntnis vom Verschwinden der M. erlangt. Selbst wenn man auf diesen frühestmöglichen Zeitpunkt abstellt, ist die Erstattungsforderung, die mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. September 2003 geltend gemacht wurde, damit nicht verjährt.

Die Geltendmachung der Erstattungsforderung verstößt schließlich auch nicht gegen Treu und Glauben. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als treuwidrig erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG SozR 3 - 2400 § 4 Nr. 5). Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers zur Überzeugung des Senats nicht vor. Allein der Umstand, dass die Beklagte bereits 1999 Kenntnis von dem Verschwinden der M. erhielt, kann ein solches Verwirkungsverhalten nicht begründen. Denn die Beklagte konnte erst im Zusammenhang mit der Antragstellung auf Vollwaisenrente den Todeszeitpunkt der M. feststellen und dies erst nach Auswertung der Ermittlungsakten. Gegenüber dem Kläger hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt signalisiert, dass sie von einer Rückforderung Abstand nehmen werde.

Der Anspruch der Beklagten besteht aber nur in Höhe von 13.533,99 EUR, wie diese mittlerweile mit Schriftsatz vom 3. Januar 2006 eingeräumt hat, nämlich nur insoweit, als Leistungen von dem Kläger unmittelbar in Empfang genommen wurden. Der Betrag von 3.160,10 DM (= 1.615,73 EUR) wurde nämlich auf einem Treuhandkonto der Rechtsanwaltskanzlei Dr. H. & K. verwahrt, der Kläger war insoweit nicht Verfügender und ist deswegen nicht verpflichtet, auch diesen Betrag zu erstatten.

Der Erstattungsanspruch ist schließlich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründet. Auch zur Entscheidung über diesen Anspruch ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zulässig, denn der erkennende Senat muss den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheiden und zwar ohne Rücksicht darauf, welchem Rechtsgebiet (dem Zivilrecht oder dem Öffentlichen Recht) die anzuwendende Norm angehört (so BSG, Urteil vom 02.03.2000 B 7 AL 36/99 R SozR 3 - 7610 § 683 Nr. 4). Die Voraussetzungen für einen solchen Bereicherungsanspruch sind im Falle des Klägers gegeben. Er wurde durch die Zahlung der Witwenrente, über die er kraft der ihm erteilten Vollmacht verfügt hat, ohne rechtlichen Grund bereichert und ist deswegen zur Herausgabe des von ihm Erlangten, nämlich zur Erstattung des Betrages von 13.533,99 EUR, verpflichtet. Insofern kann sich der Kläger auch nicht auf seine Entreicherung berufen, denn nach § 819 Abs. 1 BGB gilt, dass wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt oder er ihn später erfährt, er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet ist, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Vorliegend war dem Kläger bereits bei Empfang der Leistung bekannt, dass ihm die Rentenleistung nicht zustand, so dass die verschärfte Haftung dieser Vorschrift mit dem Empfang der Geldleistung gilt (Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 819 BGB Rdnr. 6). Denn Gläubiger der Versichertenrente gegenüber dem Rentenversicherungsträger ist nur der Versicherte selbst (so auch Urteil des BSG vom 29. Juli 1976 - 4 RJ 5/76 - Breithaupt 1977, 608). Der Kläger war demzufolge nicht Gläubiger der Rentenforderung, weil nicht Witwe des J. M ... In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger einen Teil der Leistung für den Lebensunterhalt der beiden Kinder verwendet haben will. Entscheidend ist nicht die Zweckverwendung, sondern allein die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit des Empfanges, die bei einem Dritten, der über eine Witwenrente verfügt, unproblematisch vorliegt.

Nach alledem war deshalb das erstinstanzliche Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern und im übrigen die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VWGO, da der Kläger als Dritter nicht zu dem kostenprivilegierten Klägerkreis nach § 183 SGG zählt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. §§ 3, 52 Abs. 3 GKG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht der Senat von einer Entscheidung eines Obergerichts ab.