Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide über Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004.

Der am 1933 geborene Kläger schloss mit Wirkung vom 1. März 1996 einen Mietvertrag über die Wohnung H. weg, S ... Die monatliche Kaltmiete für die Wohnung betrug 750,- DM zuzüglich 50,- DM für einen Tiefgaragenstellplatz sowie 100,- DM für sonstige Betriebskostenvorauszahlungen, insgesamt also 900,- DM. Die Monatsmiete erhöhte sich nach dem Mietvertrag jeweils zum 1. März eines jeden Jahres um 10,- DM.

Mit Schreiben vom 5. März 1996, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass 800,- DM Kaltmiete (keine Staffelmiete) und die nachgewiesenen Heizkosten (monatliche Vorauszahlungen und einmal jährliche Abrechnung) anerkannt würden. Ansonsten würden keine Nebenkosten übernommen. Einwände hiergegen hatte der Kläger nach dem Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten nicht geltend gemacht.

In der Folgezeit gewährte die Beklagte dem Kläger Sozialhilfe als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Dabei wurden bei der Bedarfsberechnung jeweils 800,- DM, bzw. 409,03 EUR als Kosten der Unterkunft (KdU) berücksichtigt sowie Heizkosten in Höhe von zuletzt 109,- EUR. Über die Höhe der laufenden Leistungen ab dem Umzug in die neue Wohnung hatte die Beklagte mit Bescheiden vom 19. Februar und 15. Mai 1996, 2. Juli und 12. Dezember 1996, 20. Januar, 17. Juni und 18. September 1997, 22. Januar 1998, Juni 1998, 22. September und 2. November 1998, Juni 1999, 2. Juli und 21. September 1999, 3. und 13. Juli, 19. September und 19. Oktober 2000, 14. Februar, 29. Juni und 5. September 2001, 7. Januar, 14. Februar, 18. Juni, 20. August und 18. September 2002 entschieden.

In der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der Bescheide vom 21. Januar, 2. Juli und 10. September 2003 und vom 24. März, 14. Juni und 7. Oktober 2004 Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz (GSiG)). Dabei wurden jeweils - aufgrund einer von der Beklagten unter dem 23. Dezember 2002 erfolgten - Prüfung der angemessenen Unterkunftskosten - Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 403,98 EUR berücksichtigt, die sich zusammensetzten aus 340,65 EUR Kaltmiete (45 qm angemessener Wohnraum x 7,57 EUR Quadratmetermietpreis) und 63,33 Euro Nebenkosten; zusätzlich wurden jeweils Heizkosten in Höhe von 108 bzw. 109 EUR berücksichtigt.

Außerdem bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 mit Bescheiden vom 21. Januar, 2. Juli und 10. September 2003 und vom 24. März, 14. Juni und 7. Oktober 2004 aufstockende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), weiterhin unter Anrechnung der Mietkosten (in bisheriger Höhe von 409,03 EUR) und unter Anrechnung der im gleichen Zeitraum bezogenen Grundsicherungsleistungen als Einkommen. Die Bescheide enthielten jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung; Widerspruch dagegen wurde nicht erhoben; der Kläger gab lediglich bei den jeweiligen Weiterbewilligungsanträgen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft an.

Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Bescheid vom 11. April 2005 bewilligte die Beklagte zunächst ab 1. Januar 2005 die Mietkosten in tatsächlicher Höhe. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch u.a. mit der Begründung, der Ansatz, die Miete für die Wohnung Haselnussweg 12 "richtig" zu bewilligen, müsse bis in den Februar 1996 zurück vorgenommen werden. Er habe die Beklagte mindestens einmal jährlich darauf hingewiesen, dass seine tatsächliche Miete 460,16 EUR betrage. Da bei der Berechnung nur 403,98 EUR zugrunde gelegt worden seien, ergebe sich eine Differenz in Höhe von 56,18 EUR monatlich. Für die Zeit vom Februar 1996 bis 31. Dezember 2004 stünden ihm daher noch Leistungen in Höhe von insgesamt 6 011,24 EUR zu.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2004 beantragte der Kläger die Überprüfung der früheren Bewilligungen nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 verwarf die Beklagte den Widerspruch gegen die vor dem 1. Januar 2005 ergangenen Bescheide als unzulässig, weil verfristet, da diese Bewilligungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Die hiergegen am 12. Juli 2005 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene "Untätigkeitsklage" (S 15 SO 4254/05) erklärte der Kläger am 14. März 2006 für erledigt.

Mit Bescheid vom 22. September 2005 lehnte die Beklagte die Nachzahlung von Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Februar 1996 bis 31. Dezember 2004 ab. Bereits mit Bescheid vom 5. März 1996 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass lediglich Mietkosten in Höhe von 800,- DM (keine Staffelmiete) und in Höhe der nachgewiesenen Heizkosten übernommen würden. Dies habe der Kläger in der Vergangenheit auch akzeptiert. Der Kläger habe auch keinen Widerspruch gegen die Bewilligungsbescheide über Sozialhilfe und Grundsicherungsleistungen eingelegt. Die Bescheide seien daher bestandskräftig geworden. § 44 SGB X sei für den Bereich der Sozialhilfe nicht anwendbar. Das sich aus § 5 BSHG ergebende Strukturprinzip der Sozialhilfe, wonach diese nicht für die Vergangenheit zu gewähren sei, stehe der Anwendung des § 44 SGB X entgegen. Dies gelte sinngemäß auch für die seit 1. Januar 2003 gewährte Grundsicherung nach dem GSiG, die wie die Sozialhilfe eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes darstelle. Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, eine Berufung auf bestandskräftige Bescheide sei nach § 44 SGB X rechtswidrig, wenn diesen der falsche Sachverhalt zugrunde liege wie in seinem Fall. Er habe jeden Monat 900,- DM an Miete zahlen müssen und dies auch in jedem Weitergewährungsantrag angegeben. Dieser "Widerspruch" sei aber von der Beklagten ignoriert worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gegen die Bewilligungsbescheide für die Zeit von Februar 1996 bis 31. Dezember 2004 sei nie Widerspruch eingelegt worden; § 44 SGB X finde aus den im Ausgangsbescheid genannten Gründen keine Anwendung.

Am 14. Dezember 2005 hat der Kläger Klage beim SG erhoben und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, die Bewilligung der Unterkunftskosten in niedrigerer als tatsächlicher Höhe habe dazu geführt, dass er seinen Regelsatz habe einsetzen müssen, so dass faktisch eine Verkürzung seiner Möglichkeiten eingetreten sei, sich ausreichend zu ernähren. Wegen "illegaler Methoden der Beklagten" und § 44 SGB X seien die früheren Bewilligungsbescheide nicht bestandskräftig geworden. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger die Klage auf die Zeit ab 1. Januar 2003 beschränkt.

Durch Urteil vom 27. September 2006 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger könne nicht die Überprüfung und Abänderung der Bewilligungsbescheide über Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungen in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 verlangen. Diese Bescheide seien bestandskräftig geworden, da der Kläger hiergegen nicht Widerspruch erhoben habe. Soweit der Kläger auf seine jeweiligen Angaben zu den tatsächlichen Mietkosten in diversen Weitergewährungsanträgen verweise, sei darin keine Widerspruchserhebung zu sehen. Ein Widerspruch könne sich nur gegen einen bereits erlassenen Verwaltungsakt richten und es müsse deutlich werden, dass der Betroffene mit der darin getroffenen Regelung nicht einverstanden sei und eine Überprüfung wünsche. Ein solcher Erklärungswert könne den Angaben zu den tatsächlichen Umständen im Vorfeld eines Bewilligungsbescheids nicht beigemessen werden.

Eine Lösung von den somit bestandskräftigen Bescheiden zugunsten des Klägers komme nur nach § 44 SGB X in Betracht. Die Vorschrift sei jedoch auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG, welche der Zeit in diesem Zeitraum aufstockend zu den Leistungen nach dem GSiG, bezogen habe, nicht anwendbar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe unter Hinweis auf die besonderen Strukturprinzipien der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG die Anwendung des § 44 SGB X auf diese Leistungen in ständiger Rechtsprechung verneint. Danach setze die Gewährung von Sozialhilfe voraus, dass ein aktueller Bedarf, den zu decken die Leistung bestimmt sei, bestehe. Habe ein Bedarf in der Vergangenheit bestanden, bestehe er aber aktuell nicht mehr, fehle es an einer für den Sozialhilfeanspruch wesentlichen Anspruchsvoraussetzung. Nur in Ausnahmefällen habe die Sozialhilfe trotz nicht mehr fortbestehenden Bedarfes noch gewährt werden können. Eines aktuellen Bedarfs habe es nicht bedurft, wenn dieser in Eilfällen vor der Entscheidung des Sozialhilfeträgers bereits gedeckt worden sei oder bei laufenden Rechtsbehelfsverfahren. Beide Ausnahmefälle lägen im Fall des § 44 SGB X nicht vor. § 44 Abs. l und Abs. 4 SGB X fänden aber nur Anwendung, wenn und soweit auch zur Zeit der Rücknahme nach § 44 Abs. l und der Leistungserbringung nach Absatz 4 ein Anspruch auf Sozialleistungen nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuches noch bestehe. Daran fehle es aber hinsichtlich der Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Kläger habe selbst ausgeführt, die nicht übernommenen Kosten der Unterkunft durch Einsparungen aus seinem Regelsatz bestritten zu haben. Damit habe er den behaupteten Bedarf selbst gedeckt. Der Bedarf bestehe also nicht mehr fort. Für die bezogene Sozialhilfe nach dem BSHG finde § 44 SGB X damit nach der Rechtsprechung des BVerwG, welcher sich das Gericht anschließe, keine Anwendung.

Ob die Nichtanwendbarkeit des § 44 SGB X auch für Ansprüche nach dem vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 geltenden GSiG gelte, sei in der Rechtsprechung des BVerwG nicht entschieden worden. In neueren Entscheidungen würden beide Auffassungen vertreten. Nach Auffassung des Gericht sei § 44 SGB X auch auf die Leistungen nach dem GSiG unanwendbar, da auch diese - wie die Sozialhilfe - zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darstellten. Die Bedeutung eines bestehenden Bedarfes zeige sich auch an der Aufzählung der einzelnen Bedarfsposten in § 3 GSiG. Gerade bei den in aller Regel monatlich bestehenden Bedarfslagen wie der hier streitigen Kosten der Unterkunft könne das Gericht keinen wesentlichen Unterschied zur Sozialhilfe erkennen. Eine bedarfsunabhängige Leistungsgewährung werde gerade nicht normiert. Auch werde vorausgesetzt, dass der Bedarf nicht auf andere Weise gedeckt werden könne. Die Bedürftigkeit hinsichtlich des jeweiligen Bedarfs sei somit ebenfalls Voraussetzung. Gerade weil gegebenenfalls nicht von der Grundsicherung gedeckte, also darüber hinausgehende Bedarfe über die Sozialhilfe abgedeckt würden, zeige dies, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Grundsicherung im Überdeckungsbereich die Funktion der Sozialhilfe übernehmen solle. Dann könne aber hinsichtlich des tatsächlichen Bestehens des konkreten Bedarfes und seiner zwischenzeitlichen Deckung kein Unterschied bestehen. Ziel des GSiG sei es gewesen, alte Menschen aus der verdeckten Armut herauszubringen, sie ein Stück weit von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Dem sei aber nicht zu entnehmen, dass nun Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt werden sollten, die den Strukturprinzipien der Sozialhilfe zuwiderliefen. Nicht verzichtet werden könne dabei auf das tatsächliche Bestehen eines Bedarfes zumindest in dem Sinne, dass ein Anspruch nicht bestehe, wenn der Bedarf auf andere Weise gedeckt werde. Die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem GSiG durch Dauerverwaltungsakt bedeute nicht, dass auf ein Fortbestehen des Bedarfes verzichtet werde. Entfalle der Bedarf, sei die Bewilligung aufzuheben. Eine rückwirkende Gewährung sehe der Gesetzgeber im GSiG auch nur in einem Einzelfall vor, soweit nämlich auf den Ersten des Antragsmonats zurückzugehen sei. Gerade bei monatlichen Bedarfslagen wie den hier streitigen Kosten der Unterkunft bestehe daher kein wesentlicher Unterschied zur Sozialhilfe. Auch die Leistungen nach dem GSiG seien demnach - unabhängig von der Bewilligungsdauer - wie die Sozialhilfe kein rentengleiches, also bedarfsunabhängiges Dauerrecht.

Gegen das am 10. Oktober 2006 seinem Prozessbevollmächtigen zustellte Urteil hat der Kläger am 31. Oktober 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, § 44 SGB X sei auf Leistungen nach dem GSiG anwendbar.

Im Prozesskostenhilfeverfahren hat der Senat dem Kläger durch Beschluss vom 10. Januar 2007 (L 7 SO 5928/06 PKH-A) Prozesskostenhilfe für das vorliegende Berufungsverfahren ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt, soweit die Rechtsverfolgung die Überprüfung von Leistungsbescheiden betrifft, die auf der Grundlage des GSiG im Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 ergangen sind. Im Übrigen, also bezüglich der Überprüfung von Bewilligungsbescheiden, die auf der Grundlage des BSHG ergangen sind, wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. September 2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2005 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung der entgegenstehenden Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete zu gewähren.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das ergangene Urteil für richtig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Akten des SG und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgerichtsgesetz (SGG)). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger kann nicht die Überprüfung der im streitbefangenen Zeitraum (1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004) ergangenen Bescheide über Grundsicherungsleistungen nach § 44 SGB X verlangen, da das 1. Kapitel des SGB X in Grundsicherungsangelegenheiten nach dem GSiG mit Blick auf § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht anwendbar ist.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 SGB X bestimmt, dass die Vorschriften dieses Kapitels gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird (Satz 1). Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften dieses Kapitels Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, gilt dies nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären (Satz 2).

Vorliegend fehlt es an einer Regelung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X, durch die das SGB X für die Durchführung des GSiG für anwendbar erklärt wird. Einer solchen Regelung hätte es aber bedurft, weil das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310 ff.) erst zum 1. Januar 2003, also nach Inkrafttreten des SGB X (am 1. Januar 1981) Bestandteil des Sozialgesetzbuchs geworden ist (ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 18. März 2004 - 1 K 2386/03 - (juris); Renn in Lehr- und Praxiskommentar (LPK-GSiG), 1. Auflage 2003, Anhang 1 Rdnr. 4; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Dezember 2006 - L 20 SO 20/06 -, Breithaupt 2007, 349).

Die Gegenauffassung, wonach eine solche Regelung verzichtbar war, weil das Grundsicherungsrecht nicht ein besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs sei, welcher nach In-Kraft-Treten des SGB X Bestandteil des Sozialgesetzbuches geworden ist, sondern eine besondere Form der Hilfe zum Lebensunterhalt i.S. des § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) darstelle und damit wie die übrigen in §§ 3-10 SGB I aufgeführten Sozialleistungen schon vor In-Kraft-Treten des SGB X, nämlich seit dem In-Kraft-Treten des SGB I am 1. Januar 1976, Bestandteil des Sozialgesetzbuches geworden sei (so SG Aachen, Urteile 6. Juli 2006 - S 20 SO 34/06 - und vom 29. September 2006 - S 19 SO 4/06 -), vermag nicht zu überzeugen.

Die mit "Sozialhilfe" überschriebene Vorschrift des § 9 SGB I in der Fassung vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015) sichert zwar jedem, der nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich selbst zu helfen, und auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält, ein Recht auf persönliche und wirtschaftliche Hilfe zu, die seinem besonderen Bedarf entspricht, ihn zur Selbsthilfe befähigt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht und die Führung eines menschenwürdigen Lebens sichert. Dass vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift aber auch Leistungen der Grundsicherung erfasst waren, lässt sich indessen schon deswegen kaum vertreten, weil solche Leistungen erstmals mit Wirkung vom 1. Januar 2003 kodifiziert wurden und vom Gesetzgeber zudem - in Abgrenzung von den Leistungen des BSHG - ausdrücklich als eigenständige soziale Leistungen konzipiert wurden (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 14/5150 S. 48 f. zu § 1). Die Sonderstellung der Grundsicherungsleistungen nach dem GSiG macht auch die - zeitgleich mit Inkrafttreten des GSiG - in das SGB I eingefügte Bestimmung des § 28a deutlich, welche die Leistungen der Grundsicherung explizit aufführt. Für die Schaffung dieser Vorschrift hätte kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestanden, wenn Grundsicherungsleistungen nach dem Willen des Gesetzgebers bereits zuvor unter dem Titel "Sozialhilfe" (§ 9 SGB I) bzw. von den "Leistungen der Sozialhilfe" (§ 28 SGB I) erfasst gewesen wären; Letzteres erfolgte erst durch Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I 3022) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 mit Einfügung der Nr. 1a in § 28 Abs. 1 SGB I (vgl. auch § 8 Nr. 2 SGB XII in der aktuellen Fassung).

Waren somit die Leistungen nach dem GSiG nicht Bestandteil der Sozialhilfe, die schon bei In-Kraft-Treten des SGB X Bestandteil des Sozialgesetzbuches war, sondern wurden sie dies über die Fiktion des § 68 Nr. 18 SGB I (erst) mit Wirkung vom 1. Januar 2003, so bedurfte es wegen der (föderalen) Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X einer besonderen Anwendungsbestimmung, die aber im GSiG weder bei dessen Inkraftreten noch bis zu dessen Außerkrafttreten realisiert wurde.

Damit scheidet die Anwendung des 1. Kapitels des SGB X - und damit auch des § 44 SGB X - bereits aus diesem formalen Grund aus, unabhängig davon, ob es sich bei Leistungen nach dem GSiG - im Gegensatz zu denen nach dem BSHG - um Sozialleistungen i.S.d. § 44 SGB X handelt (so Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. April 2005 -12 ZB 05.262 - FEVS 56, 574; SG Aachen, a.a.O.).

Der Kläger kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der - damit anwendbaren - Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes Baden-Württemberg (LVwVfG) die Überprüfung der im Bedarfszeitraum 2003-2004 ergangenen Grundsicherungsbescheide mit dem Ziel der Nachgewährung (angeblich) zu Unrecht vorenthaltener höherer Leistungen der Unterkunft verlangen. Die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs. 1 LVwVfG) liegen nicht vor, und über die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann der Kläger selbst unter der Annahme, in den ergangenen Bewilligungsbescheiden lägen zugleich belastende Bescheide, keine höheren Leistungen verlangen. Zudem müsste er sich bei der begehrten Nachgewährung höherer Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung nach dem GSiG zum jetzigen Zeitpunkt wohl auch die zwischenzeitlich eingetretene Bedarfsdeckung entgegenhalten lassen. Denn offenbar sind keine offenen Mietrückstände oder sonstige Schulden vorhanden; vielmehr hat der Kläger nach eigenem Vorbringen seine höheren Mietaufwendungen anderweitig gedeckt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Frage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf Leistungen nach dem GSiG keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne eines allgemeinen Interesses der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts zu. Die maßgeblichen Vorschriften des GSiG sind mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten und es ist nicht erkennbar, dass noch eine erhebliche Zahl von Fällen zu entscheiden ist, in denen es hierauf ankommt (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 19; BVerwG Buchholz 310 § 132 Nr. 129, 132, 144; vgl. auch Meyer-Ladewig in ders./Keller/ Leitherer, SGG 8. Aufl., § 160 Rdnr. 7b).